Anschauungsbeispiele zum Menschlichen Maß (1)
Text und Fotos von
Gerd-Lothar Reschke
Wie wohl kaum jemand abstreiten wird, läßt sich der Arabellapark im Nordosten von München als gelungenes Stadtviertel bezeichnen. Das wichtigste Indiz ist: Fühlen sich Bewohner und Besucher hier wohl? Und diese Frage kann mit einem klaren Ja beantwortet werden. Wohnungen sind hier nicht nur äußerst begehrt, sondern praktisch gar nicht zu bekommen, weil sie sofort verkauft bzw. vermietet werden. Auch hat sich ein florierendes Kleinzentrum herangebildet, das von einer Vielzahl von Menschen zu Einkäufen und zur Freizeitgestaltung genutzt wird. Im Gegensatz zu den bekannt-berüchtigten Trabantenstädten (Neuperlach etc. — München ist von Derartigem zum Glück weitgehend verschont geblieben) ist dieses Viertel gerne angenommen worden; man könnte geradezu von einem Vorbildcharakter sprechen.
Ich möchte am Beispiel des Arabellaparks einige architektonische Koch-Zutaten herausheben, die dazu führen, daß es zu solch einem Erfolg kommt.
Der Rosenkavalierplatz stellt das Zentrum des Viertels dar. Dort wiederum im Zentrum befindet sich dieser rechts abgebildete Springbrunnen mit kräftig sprudelndem Wasser. (Nicht jeder Brunnen ist kraftvoll; wichtig ist, daß das Wasser lebendig und frisch wirkt und einen regen Austausch mit der Luft pflegt, also spritzt und schäumt.)
An diesem Punkt des Brunnenareals hätte ich die fehlende Rückendeckung zu bemängeln, die bei den anderen Sitzgelegenheiten des Platzes besser berücksichtigt wurde.
Lobend hervorzuheben ist — und das beweisen alle Bilder —, daß das gesamte Viertel keine drohend und glatt aufragenden Gebäudefronten aufweist (bis auf eine unvermeidliche Ausnahme, siehe Bild 3), sondern daß sich die Bauten in Stufen erheben. Reichliche Grünbepflanzung, die auch auf den Gartenterrassen der einzelnen Geschosse gut möglich ist, sorgt für ein aufgelockertes, wohltuendes Gesamtbild. Auch hier wieder ein Brunnen, übrigens mit Wasserlauf, neben dem eine Bankreihe zum Ausruhen steht. (Das letzte Bild, Bild 5, zeigt den Blick nach rechts.)
Das Bild zeigt das ehemals einzige Gebäude des (damals noch nicht existierenden) Viertels, das Arabella-Hotel. Wir können hier gut den Gegensatz zwischen harter, überdominanter Hochhausfront alten Stils und neuer, stufenförmig aufsteigender Architektur erkennen.
Ein oft unterschätztes Charakteristikum bei der Planung von Verbindungs- und Zugangswegen ist die kurvige Wegführung. Dadurch wird Kraft angesammelt und es entstehen keine spitzen Linien, die auf Eingänge zielen. Das Bild zeigt die gute Abstimmung von Bepflanzungshöhe und Gebäudefront (abgekantet und damit weniger aggressiv).
Eine kleine Erholungsstraße zur Entspannung, aber auch zur Abwicklung von Geschäften und Dienstleistungen: rechts befindet sich die erste Augenklinik, die in Deutschland per Laserverfahren Brillen überflüssig machen konnte — eine sehr erfolgreiche Unternehmung. Ferner ein Café mit Straßenbedienung und mehrere kleinere Shops.
Auch dieser Bereich ist sehr beliebt, was sicher auch auf den erfrischenden, die Energie der Lokalität anreichernden Wasserlauf zurückzuführen ist.
Das Viertel Arabellapark weist eine gute Mischung bzw. Infrastruktur an Einrichtungen und Angeboten auf: Endstation einer U-Bahn-Station, Kino, Supermarkt, Stadtbücherei mit vielfältigen Abendveranstaltungen in einem gutbesuchten Kulturforum, Hotels, Modegeschäfte, Accessoire-Läden, Buchhandlung, Kinderspielwaren-Laden, Diskothek, Kirche (mit Gospelchor), zwei Kindergärten, Umweltministerium, mehrere Restaurants und Kneipen, zahlreiche Arztpraxen und Klein-Kliniken, hervorragende Straßenanbindung, Nähe zur Stadtgrenze und Grüngebieten, Nähe zu Sport- und Fitneßeinrichtungen.
Aber das allein ist es eben nicht, was zum Erfolg führt, sondern auf das Wie kommt es an. Man könnte auch sagen: Auf das gewisse Händchen der Planer kommt es an, die, alles in allem, ein gutes Gespür dafür hatten, was das Menschliche Maß ist und wie man ihm dient.
— Gerd-Lothar Reschke —
7.8.2002
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