Grundsätzliche Überlegungen zur Aktualität dieser traditionellen Anschauungsweisen
Von
Gerd-Lothar Reschke
Inhalt
Geomantie heißt wörtlich übersetzt Erd-Befragung und ist die alte westliche Überlieferung vom Aufspüren örtlicher Gegebenheiten und deren Auswirkung auf Bauten und auf Menschen, die sich in oder an solchen Bauten aufhielten. Feng Shui könnte man als fernöstliches Äquivalent bezeichnen, aber Feng Shui erstreckt sich noch auf etliche weitere Lebensbereiche und stellt eine umfassende Lehre zur Harmonisierung des menschlichen Lebensumfelds dar.
Der folgende Text durchleuchtet die Hintergründe des gerade ziemlich aktuellen, auch unter Baufachleuten immer populäreren Sogs hin zu spirituellen und mystischen Ansätzen. Ich werde dabei näher darauf eingehen, inwieweit wir diese alten magischen Traditionen übernehmen können und was dabei genauer zu beachten sein wird.
Der tiefere Grund, warum diese Lehren wieder en vogue sind:
Sie bringen Intuition und Rationalität zusammen. Bei unserem westlich-aufgeklärten Denken ist die Intuition inzwischen verraten und abgekappt worden und wir treiben die vereinseitigte Rationalität ins Extrem. Zugleich sind wir aber auch hochskeptisch. Jeder moderne Mensch ist hundertmal schärfer und aufmerksamer im Entdecken von halbgaren Behauptungen und von kolportiertem Hörensagen als irgendein Asiat oder Inder oder Afrikaner. Und ich sage: Das ist unsere Stärke! Diese Stärke haben wir uns durch die Aufklärung erarbeitet, und sie ist nicht zuletzt auch die Voraussetzung für die fortgeschrittene Entwicklung der Technik und Naturwissenschaft. Es ist immer noch der Westen, wo diese Innovationen passieren, die dann die ganze Welt beeinflussen. Auch in Japan oder in irgendeinem anderen östlichen Land richtet man sich danach — und nicht nach irgendwelchen Wissenschaftsformen einheimischer Provenienz. Was die letztlichen Tatsachen angeht, so steckt der Westen sie alle in die Tasche.
Auf der anderen Seite wird uns der Preis, den wir dafür zahlen, immer schmerzlicher bewußt: Der Verlust des Irrationalen, Intuitiven und Instinktiven, also quasi der anderen Gehirnhälfte. Jetzt kommen die Asiaten mit ihren traditionellen Lehren, die schon immer so konzipiert waren, daß sie beide Aspekte des Menschlichen (ich verkürze das einmal so salopp) abdeckten. Aber diese Lehren greifen allesamt zu kurz. Wenn sie hier, so wie sie sind, importiert werden, dann geschieht nichts anderes, als daß wir auf einen früheren historischen Stand zurückfallen — z.B. auf den Stand der Chinesen vor mehreren Hundert Jahren. Die westlichen Menschen geben ihren Vorteil preis, verzichten auf ihr scharfes, klares, skeptisches Denken, lassen sich durch modische Einflüsse einnebeln, schämen sich ihrer Widerstände, und werden zu willfährigen Opfern von Predigern simpler Weltbilder. Das meiste, was Feng Shui lehrt, ist nicht nur simpel, sondern kindisch und naiv — es verkürzt die Wirklichkeit auf etwas, was sie nicht ist. Es suggeriert magische Zusammenhänge, Wirkungen und Kräfte, wo keiner so recht weiß, was eigentlich dahintersteckt. Man muß sich dumm machen, um das zu glauben.
Ich habe schon etliche Chinesen und Japaner dabei beobachtet, wie sie das hier propagieren. Es läuft immer über das Defizit an Intuition. Wer auf den Nachweis, wo wir hier Defizite haben, hereinfällt und sich die neue Import-Ideologie andrehen läßt, merkt nicht, daß er mehr verliert, als er gewinnt. Er gewinnt ein kleines bißchen Intuition und verliert die ganze Schärfe und Kompromißlosigkeit seines zweifelnden Denkens. Und wer aufhört zu zweifeln, dem hat man, so könnte man glatt sagen, die Seele gestohlen.
Es gibt in jedem dieser Feng-Shui-Bände grob geschätzt 20 Prozent nachprüfbare Aussagen und 80 Prozent ideologische Hypothesen und überzogene, den Boden der Verifizierbarkeit auf leichtfertige Weise verlassende Schlußfolgerungen:
Meine Ehe wird dann gut, wenn ich an der richtigen Stelle meines Schreibtisches ein passendes Bild von Frau und Kindern aufstelle — und sie kommt in eine Krise, wenn jemand das Bild an den falschen Platz verschiebt. |
In diesem Stil geht es dann immer weiter frisch drauflos. Ein Stein steht im Garten an der falschen Stelle, wonach der Sohn der Familie krank wird oder einen Unfall hat oder keinen Job findet — nun kommt der Experte und rückt den Stein an den richtigen Platz und der Sohn wird gesund, glücklich oder erfolgreich, oder besser: alles auf einmal.
Ich könnte so nicht schlußfolgern, weil ich mit der Bescheidenheit und Demut der Skepsis gesegnet bin, und mir wird so etwas nie mehr jemand andrehen können. Ich finde es sogar entwürdigend und verdummend, selbst wenn es sich dort um Professoren mit Doktortitel handelt, die so daherreden. Für mich sind das halbgare Behauptungen.
Wir haben hier im Westen ein ziemlich ähnliches System, nämlich die in Nachfolge östlicher Traditionen (Theosophie und andere esoterische Geheimlehren) durch Rudolf Steiner entwickelte Anthroposophie. Was aus der geworden ist, sollte als bekannt vorausgesetzt werden können. Auch hier gibt es Menschen, die so etwas gerne glauben und damit auch etliches Gute zustandebringen, aber es bleibt immer eine Außenseiter-Weltanschauung, eben weil man daran glauben muß. Mein Kommentar zu so etwas lautet: Wer schwach ist, braucht ein geistiges System, an dem er sich orientieren kann — dann hat ein Universum, das ihm chaotisch, zwecklos und unfaßbar erscheint, auf einmal für ihn wieder einen Sinn und er kann sich behütet, geborgen und in ein größeres Ganzes integriert fühlen. Diese Art Lehren sind Krücken für unsichere, zweifelnde, desorientierte Menschen. Besser wäre es, sie würden lernen, auch wieder ohne Krücken zu laufen, statt mit ihnen den Rest ihres Lebens zu verbringen, denn Krücken machen süchtig, dumm und sogar blind.
Das Interessante an Feng Shui und vielen anderen asiatischen Weltanschauungen ist, daß es sich dabei um ganz pragmatische Mischungen aus taoistischen und konfuzianischen Einflüssen handelt. Ich möchte kurz näher darauf eingehen, wovon hier die Rede ist:
Taoismus ist keine Idologie, sondern könnte auch als Anti-Ideologie bezeichnet werden. Wichtige Grundlagenwerke des Taoismus sind das legendäre Tao te King des Laotse sowie Südliches Blütenland von Dschuang Dsi. Zentrale Rolle spielen hier stets die Selbsterkenntnis und Ichlosigkeit des einzelnen, dem aufgetragen ist, sein letztendliches Einssein mit dem Weltganzen zu erfahren und damit zu einer tieferen Harmonie in Sein und Handeln zu gelangen.
Die Lehren des Konfuzius haben eine genau gegenteilige Perspektive: Da geht es um die Integration des einzelnen in das gesellschaftliche Ganze und um die Erziehung im Rahmen eines allgemeingültigen Verhaltenskodex, wodurch eine bestmögliche Harmonisierung aller Mitglieder der Zivilisation erreicht werden soll. Laotse und Dschuang Dsi kommen von innen — Konfuzius hingegen von außen. Es wird von einem Zusammentreffen beider Hauptfiguren Laotse und Konfuzius berichtet, bei dem zweiterer mit Erschütterung und Schrecken auf die völlige Widerlegung bzw. Untergrabung seiner sittlichen und moralischen Richtlinien durch den alten Tao-Weisen reagiert haben soll — seinen Schülern soll er danach dringend empfohlen haben, sowohl diesen als auch seine Lehre tunlichst zu meiden.
Wichtiges Charakteristikum des asiatischen und speziell des chinesischen Denkens ist aber immer schon die Vereinbarung der Gegensätze gewesen. Man hat einfach aus Gründen der Kultur- und Zivilisationsräson den inneren Widerspruch, ja die gegenseitige Negation der beiden Einflüsse überspielt und vertuscht. Einer Gesellschaft, die nach guter Yin-Yang-Tradition alle Gegensätze zu einer Synthese führen und sich so fruchtbar weiterentwickeln will, kam das natürlich entgegen — da können die Unterschiede noch so radikal sein: umso willkommener ist ihre versöhnliche Einbeziehung.
Auch hier im Westen gibt es übrigens eine auffällige Parallele zu diesem Zusammenhang, denn auch hier haben wir es mit der rationalistischen Wissenschaftlichkeit einerseits und der alten christlichen Glaubenstradition andererseits mit zwei im Grunde völlig widersprüchlichen Weltanschauungen zu tun, die sich jedoch beide ergänzen, weil jede das abdeckt, was die andere vernachlässigt.
Heraus kommt jedoch in beiden Fällen (sowohl im Westen als auch im Osten, nur auf jeweils andere Weise) ein schizophrenes Konglomerat, das sich logischerweise auch in schizophrenen, unreifen Menschen ausdrückt — denn Menschen, die solche Weltanschauungen übernehmen (und das tut jeder, der in der betreffenden Kultur erzogen wird, erst einmal ganz automatisch), werden selbst konfus, weil sie die versteckten Widersprüche in ihrem eigenen ganz realen Leben selbst erfahren und austragen müssen.
Lebenspraktisch gesehen kann kein Mensch mit ganzem Herzen und ganzer Seele zugleich Christ und Wissenschaftsanhänger sein, und genau so wenig kann er gleichzeitig taoistisch und konfuzianisch sein. Genau hier sehe ich den tieferen Grund für die Inkonsequenzen sowohl unserer westlichen Kultur als auch der östlichen, wie sie sich etwa an unserem Beispiel Feng Shui ausgeprägt hat. Es handelt sich um ein Geplänkel, ein Gemunkel, aber je genauer man nachforscht, desto mehr stößt man auf oberflächliche Tricks, auf ein pragmatisches Gebastel ohne echte Fundierung.
Die Chinesen (aber siehe auch Südkorea, Japan, Singapur) bauen rücksichtslos die schroffsten Wolkenkratzer, die riesigsten Großraumbüros, die unmenschlichsten Fabriken — und bekränzen und legitimieren dieses Treiben dann völlig ungeniert mit ein paar Feng-Shui-Mätzchen. Da werden dann eben irgendwo ein paar Fächer und Geisterhäuschen und bunten Farben plaziert — und schon ist das Gewissen beruhigt.
Es ist eigentlich eine simple psychologische Beschönigung. Die Leute sind dort so naiv, das für real zu halten, und wenn man ihnen das so weismachen kann und wenn sie das so akzeptieren, dann funktioniert das Spiel. Es sagt aber noch lange nichts über die eigentlichen Tatsachen aus; es ist billiger Aberglaube, genau so wie im Westen das Lourdes-Getue und die Verehrung der Heiligenbildchen, oder in Afrika und Indien das entsprechende Kult-Verhalten.
Es gibt etwas viel Besseres, sonst hätte ich hier gar nicht zu schreiben angefangen — denn nur Geomantie und Feng Shui auseinandernehmen zu wollen, halte ich für ein unzureichendes Motiv.
Die Antwort auf jegliches Gemunkel und Getue heißt Wahrnehmung.
Wahrnehmung ist die geeignete Basis, von der wir ausgehen können, denn Wahrnehmung kommt stets vor jedem ideologischen System.
Dies steht aber in klarem Widerspruch zu Gemunkel und mystischem Getue, wie es etwa bei Wünschelruten-Anwendungen praktiziert wird. Der eigentliche Kern solcher Aktionen ist nämlich, daß bestimmte Leute als Experten auftreten, die irgendein Fachvokabular miteinander austauschten und angeblich messend hin und her laufen, während jeder andere Beteiligte zu passivem Zuschauen verdammt ist.
Der Clou ist einfach der, daß mit pseudowissenschaftlichen, nicht weiter nachprüfbaren Behauptungen ein nebulöser Eindruck von Legitimierung geschaffen werden soll, siehe z.B. das sogenannte Hartmann-Gitter. Dieses Gitter besteht angeblich aus 2 m x 2,5 m großen Rechtecken, die die ganze Erde überspannen und bei denen in der Grundspannung die Ruten in diesen Abständen ausschlagen. Auf Kraftlinien verengen sich dann angeblich diese Abstände, woran die Zunahme der vorhandenen Energie abzulesen sei.
Die Frage, ob man dem allen glaubt oder nicht, ist noch das eine. Aber darauf will ich mich gar nicht einlassen. Schon rein faktisch, mit einfachsten Überlegungen, läßt sich die ganze Vorgehensweise, und zwar sowohl innerhalb der Geomantie als auch beim Feng Shui, widerlegen.
Es besteht überhaupt kein Bedarf an Wünschelruten, Hartmanngitter-Theorien und dergleichen. Jeder kann sich selbst an die betreffenden Plätze und Linien stellen und selbst herausfinden, selbst wahrnehmen, wo Kraft wirkt und wo nicht. (Wenn man dazu Wünschelruten braucht, was machen dann die Rutengänger, wenn sie ihre Rute vergessen haben? Sind sie dann blind; spüren sie dann nichts mehr?) Geht man so vor, dann verändert sich auch das Befinden der dabei Beteiligten. Man beginnt am eigenen Zustand den Unterschied zu spüren und kann selbst verifizieren, was vorher nur Hypothese oder Vermutung war.
Ich setze dem Modell der munkelhaften Mystik ein anderes Modell gegenüber, und zwar das, welches bereits erfolgreich bei Kulturführungen erprobt wurde. Wer sich für den Hintergrund näher interessiert, dem empfehle ich, sowohl den
Text zu Kulturführungen als auch meinem Beitrag über
das Erdzeichen als Kraftzeichen noch einmal genau durchzulesen und auf sich wirken zu lassen.
Einmal abgesehen vom Kernbegriff Wahrnehmung, der bereits das Wesentliche aussagt: Worauf kommt es an? Es ist die eigene Erfahrung, die eigene Praxis. Wahrnehmung ist immer eigene Praxis — es kann gar nicht anders sein. Und so banal es auch wirkt, das besonders betonen zu wollen — man kann es gar nicht stark genug betonen! Denn genau das ist beim mystischen Munkeln vernachlässigt — der wichtigste Punkt wird einfach ausgelassen! (Es ist übrigens genau wie in der ganzen zeitgenössischen westlichen Psychologie und Psychotherapie: Auch da wird der eigentlich zentrale Aspekt, nämlich Bewußtheit, ausgelassen, ja er wird nicht einmal erwähnt, und wenn, dann immer nur in falschem Kontext.) Und sowohl Geomantie als auch Feng Shui lassen genau dann, wenn es brenzlig wird, diesen Punkt weg und ersetzen ihn durch — na, wodurch wohl?: durch Ideologie. Durch Ideen, durch Glaubensannahmen, durch unverifizierbare Hypothesen.
Die Leute, die für so etwas Reklame machen, sind so flott, so alert und gewitzt, und es geht immer alles so schnell, so husch-husch, daß man schon gehörig sensibilisiert sein muß, um zu merken, wie sie den entscheidenden Moment überspielen. (Was übrigens jeder Unterhaltungszauberer genau kennt, denn es ist sein Berufsgeheimnis, seine entscheidende Fähigkeit, aus der er Geld macht: Die Aufmerksamkeit der Leute kurz abzulenken und das Kaninchen währenddessen schnell in den Zylinder zu befördern.) Feng Shui zeigt sich mir in etlichen Darstellungen als ein ganz ausgeklügeltes, hochkomplexes System aus lauter Ablenkungsmanövern, bei denen die Ideologie an der Hintertür hereingeschmuggelt wird. Es ist immer dieselbe schludrige Umgangsweise mit Wahrheit und Wissen: Man operiert mit bekannten Wahrheiten und kombiniert sie mit dreisten Behauptungen. Und daraus wird dann ein flottes pseudowissenschaftliches Ganzes geschmolzen, das daherkommt, als könne es im Leben gar nicht anders sein.
Eine Zutat der suggestiven Vernebelung besteht im exotischen Reiz, den alles Besondere ausübt, v.a. wenn es magisch-geheimnisvoll und fernöstlich daherkommt. Was die Chinesen wissen, das muß einem dummen Europäer dann bereits viel eindrucksvoller vorkommen als seine eigenen biederen Erkenntnisse. Eine weitere Zutat ist das Hantieren mit Selbstverständlichkeiten. (So treten übrigens auch stets religiöse Sekten und extremistische Parteien auf.) Die meisten Beispiele, die in den Standardwerken als schlechte Energieverhältnisse geschildert werden, würde fast jeder nicht ganz abgestumpfte Mensch sofort als offenkundig identifizieren: Wer könnte seine Couch mit dem Rücken zum Fenster stellen, oder alle Möbel in die Mitte des Zimmers, oder sein Bett vors Fenster, ohne sich unwohl zu fühlen? Die banalen Selbstverständlichkeiten verkauft man dem staunenden Durchschnittsmenschen dann als sensationelle Erkenntnis, und wenn er sich genötigt fühlt, das Offensichtliche anzuerkennen, ist ein Großteil seiner Skepsis schon gebrochen.
Ich hatte mich bereits mehrfach gewundert, wie leicht v.a. das Feng Shui bei ansonsten doch sehr nüchternen und rationalen Fachleuten der Baubranche landen kann. Das kommt natürlich daher, weil es eine pseudowissenschaftliche Systematik mitbringt, bei der viel mit Zahlen, Daten, Regelwerken und angeblichen Forschungsergebnissen operiert wird. Und eine solche kompakt durchorganisierte Logik beeindruckt den Verstand ganz enorm. Da wird immer gemessen und verglichen und mit angeblich objektiven Kriterien argumentiert. Das hört sich dann genau so technisch und wissenschaftlich an wie unser gewohntes mathematisch-physikalisches Denken und Konstruieren.
Aber die Fakten sind nur Fassade für die Dummen! In Wirklichkeit geht es natürlich um Angst! Die Leute sind einfach feige, und wenn man ihnen mit wissenschaftlichen termini technici kommt, fühlen sie sich wieder geborgen. Hier liegt aber auch genau ein Grund meiner Abneigung gegen solche Modetrends. Wenn die Leute die Verantwortung (die ihnen ihre Angst und v.a. das Aushalten dieser Angst auferlegen würde) auf sich nähmen, dann könnte etwas Reales passieren; wenn sie sich aber lieber einlullen lassen, dann kann nichts Gutes dabei herauskommen!
Diese östliche Wissenschaft kann noch so sehr reklamieren, tausendjähriges Wissen zu lehren — dann stelle ich mich dagegen und sage, daß ich sie durchschaue. Und ich sage, daß jeder hier sie durchschauen kann.
Die Sache verhält sich anders und vielleicht bin ich nur einer von wenigen, die das zu merken begonnen haben: Es geht um eine Art dritten Schritt, nach dem ganzheitlichen, aber in Glaubensannahmen gefangenen ursprünglichen Denken und nach der sogenannten Aufklärung des 18. Jahrhunderts. Der dritte Schritt bedeutet, die Aufklärung beizubehalten, aber durch einen neuen Umgang mit Intuition zu erweitern. Er bedeutet nicht, in das erste, vorwissenschaftliche Stadium zurückzufallen.
Und deshalb muß jetzt wieder ganz von neuem angefangen werden. Das primitive Importieren und unkritische Nachplappern von östlichen Sichtweisen kann hier keine ernsthafte Lösung erbringen. Nach meinem Gefühl müssen wir, vielleicht anhand östlicher Vorschläge und Anstöße, vielleicht mehr durch eigenes neues Erforschen, dasjenige neu finden und ganz neu ausformulieren, was unseren Standards von Nachprüfbarkeit und Nüchternheit standhält.
Lassen wir den abergläubischen Humbug der pauschalen ideologischen Lösungsangebote beiseite, dann stehen wir wieder ungeschützt da und müssen neu zu denken und zu fühlen anfangen. Dann fehlen uns die bunten Klischees und Schablonen. Was dann? Was dann passiert, hat mit dem Gewicht zu tun, das jeder aus eigener Kraft mitbringt. Dann ist es dieses Gewicht, das ins Leben eingespeist wird und Wirkungen zeitigt. Und dann geht es erst so richtig los.
Meine harten, zum Teil vielleicht als vernichtende Kritik empfundenen Anmerkungen zu Geomantie und Feng Shui sollen nicht bedeuten, daß alles, was dort gelehrt und verbreitet wird, falsch sei. Ich hoffe, ich habe klar genug hervorgehoben, daß wir einfach an einem Punkt stehen, wo weder ein Rückschritt zu altüberliefertem Aberglauben möglich ist noch ein stures Festhalten an rein logisch-rationalen Denkmustern. Weder die eine noch die andere Seite ist pauschal zu verdammen; zu verdammen ist nur der Rückfall ins mystisch-verklärte Nachbeten von Wunderkuren und allzu simplen Patentweisheiten.
Keiner, der auch nur halbwegs intelligent ist, wird es ablehnen, Anstöße aus Geomantie und Feng Shui, die verifizierbar sind, aufzugreifen und neu zu erforschen. Was not tut, das ist eine neue Lehre der räumlichen und baulichen Gestaltung, eine Lehre, die wieder da ansetzt, wo Straßenplaner, Städtegründer, Tempel- und Kathedralenbauer z.B. des frühen Mittelalters bereits waren — denn sie wußten mehr über verborgene Zusammenhänge und ihre Wirkungen auf den Menschen, als heutige Planer es tun, die bloß mit ihrem oberflächlichen technischen Fachwissen operieren und dabei die subtileren Wahrnehmungen der Menschen schmählich vernachlässigen.
Die neue Art des Bauens, die kommen muß und kommen wird (und sie wird hier nicht Feng Shui heißen, das wage ich zu prognostizieren), sie wird die allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten, die immer herrschten, die aber nach und nach in Vergessenheit gerieten — heilige Geometrie nannte man das einmal —, wieder neu entdecken und erforschen. Meine Vision ist darüberhinaus auch, daß es eine Verschmelzung zwischen Rationalität und Irrationalität, zwischen Naturwissenschaft und Religion geben wird, bei der Bewußtheit und bewußte Wahrnehmung, also das Studium der Wirkungen und Gesetzmäßigkeiten menschlicher Aufmerksamkeit die zentrale Rolle spielen wird — und das ist etwas, das in eine neue, wahrhaft ganzheitliche Religion münden wird — gänzlich verschieden allerdings von allen Ladenhütern ideologischer Beschränktheit und Dogmatik. Diese Religion wird es nicht mehr nötig haben, in menschliche Denkmuster und Verhaltensweisen einkonditioniert zu werden, sondern sie wird sich sozusagen im alltäglichen Erleben der Dinge selbst verifizieren und manifestieren.
Hierbei wird das neue, Kraftlinien und Kraftfelder berücksichtigende Bauen eine wichtige Rollen spielen: sakrale und profane Architektur werden verschmelzen. Denn es wird keine ideologischen Tempel mehr geben, sondern Bauwerke werden kraft ihrer eigenen Ausstrahlung und Komposition, in harmonischem Zusammenwirken mit den Energiezonen und -strömungen der Erde, direkt vermitteln, was sie sind: Orte zur Stärkung und zur Gesundung der Menschen. Denn diese Wirkung wird objektiv stattfinden (so wie wir es bereits von etlichen historischen Bauten kennen, seien es die Pyramiden, ägyptische Tempelanlagen, Stonehenge, keltische Schanzen, romanische Kirchen, gotische Kathedralen, Alhambra,
Barockklöster, buddhistische Tempel oder mohammedanische Moscheen) — sie wird sich selbst erklären und keine verbale Vermittlung nötig haben.
— Gerd-Lothar Reschke —
27.7.2002
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