Eindrücke von einer Geomantie- und Feng-Shui-Führung
von
Gerd-Lothar Reschke
Inhalt
Wer das Reichsparteitags-Gelände betritt, der wird sich, vor allem beim ersten Mal, womöglich wie auf einem anderen Planeten vorkommen. Die hier befindlichen Gebäude und Anlagen widersprechen dem heute üblichen Denken, und sie durchstoßen in gewissem Sinne auch unsere herkömmlichen Wahrnehmungskategorien. Da ist zum einen sicher die schiere Größe zu nennen, zum anderen aber auch der für uns heute ungewohnte Umgang mit Energien und Kräfteverhältnissen.
Meiner Beobachtung nach verfallen viele — besonders die, die nicht gewohnt sind, sich ein völlig eigenes Urteil zu bilden, sondern lieber die herkömmliche, vorgefertigte Seh- und Denkbrille aufsetzen — unmittelbar in mentale und emotionale Abwehrreaktionen. Es gibt genug Menschen, die sofort beginnen, sich über diese Gebäude und Anlagen fürchterlich zu ärgern und darin ein wahres Teufelswerk sehen; der Mensch würde hier verachtet, gedemütigt, klein gemacht usw. Das Lieblings- und zugleich das Schlüsselwort dieser Reaktion lautet "Inszenierung". Man hätte damals nur "inszeniert", heißt es, also Theater gespielt.
Genau so könnte jede Epoche über die andere (frühere können sich naturgemäß schlecht wehren, indem sie den Spieß umdrehen) behaupten, auch sie würde mit Inszenierungen arbeiten. Politik ist immer auch Inszenierung, und wer über die Kirche sprechen will, der wird erst recht nicht ableugnen können, daß dort noch viel mehr mit Inszenierung gearbeitet wird — man schaue sich nur einmal katholische Gottesdienste, Abendmähler, Papstauftritte oder die Aufführungsgepflogenheiten von Feiertags-Festen an. All das sind immer Rituale — eben weil der Mensch darauf reagiert, denn er erlebt nicht nur rational, sondern mindestens genau so irrational, und er empfindet (übrigens mit völligem Recht) nun einmal emotional, instinktiv, intuitiv. Wer so etwas per se schlechtreden will, der hat etwas Entscheidendes nicht verstanden — und der wird auch Architektur nie verstehen und offen wahrnehmen können. Er muß wichtige Bestandteile architektonischer Wirkung immer leugnen, meiden, ausklammern oder verteufeln (und damit auch wichtige Seiten des Menschen leugnen, meiden, ausklammern oder verteufeln).
Mit magischen Floskeln wie einem ständig naserümpfend wiederholten Schlagwort läßt sich ein derartig hochkomplexes Ganzes nicht aufspießen und ins Schubkästchen ablegen. Die Empfindungen, die dieses auf der Welt einmalige bauliche Areal in so gut wie jedem wachruft, der es betritt und erlebt, verdienen es, näher untersucht zu werden. Dazu ist es nötig, vom ideologischen und rhetorischen Roß herunterzusteigen und sich daran zu machen, selbst Betrachtungen anzustellen.
Die Große Straße
Dieses erstaunlich breite, mit Granitplatten höchster Qualität belegte Straßenband ist auf die Nürnberger Burg ausgerichtet und soll damit symbolisieren, daß das Dritte Reich an das Erste Deutsche Reich anknüpft, dessen Kaiser in Nürnberg gekrönt wurden. (Nürnberg war damals neben Augsburg die wohlhabendste und einflußreichste Stadt Deutschlands.) In Nürnberg waren bis zu Zeiten Napoleons auch die symbolträchtigen Reichsinsignien aufbewahrt, die dann von den Nationalsozialisten wieder zurück nach Nürnberg gebracht wurden und heute in Wien aufbewahrt werden.
Das ZeppelinfeldAls Veranstaltungsfeld war dieser Platz vorher schon vorhanden; hier landete Graf Zeppelin am 27.8.1909 erstmals mit seinem Flugschiff Z3. Nach dem Vorbild des Pergamonaltars, aber 7-fach vergrößert, wurde die offene Fläche dann ab 1934 von den Nationalsozialisten unter Federführung von Albert Speer ausgebaut. Sie diente mit ihrer rechteckigen Tribünenanlage von nun an als Gelände für Aufmärsche und Feierlichkeiten.
Die Bebauung wurde 1937 fertiggestellt. Während der Reichsparteitage konnte die Zeppelintribüne etwa 70.000 Personen und das Zeppelinfeld rund 250.000 Menschen aufnehmen.
Leni Riefenstahl, die im Sommer 2002 ihren 100-sten Geburtstag feiert, drehte hier ihren bekannt-berüchtigten Film Triumph des Willens, der damals auch im Ausland zahlreiche Filmpreise zugesprochen erhielt, darunter 1935 die Goldmedaille von Venedig und 1937 die Goldmedaille auf der Weltausstellung in Paris. Faszination und Wirkung
Ganz eindeutig verhält es sich so, daß, wo Faszination herrscht, auch Ursachen dahinterstecken, nämlich Kräfte im Menschen. Um zu verstehen, weshalb etwas wirkt und weshalb solche Kräfte entstehen, muß in die Wurzel, in den Ursprung des Phänomens hineingeschaut werden. Die KongreßhalleSie ist das größte Bauprojekt des Areals (neben dem bereits in den frühesten Ansätzen steckengebliebenen Deutschen Stadion, s.u.) und vermutlich eines der größten Gebäude in Deutschland. Obwohl Torso, halte ich sie dennoch nicht nur für beeindruckend, sondern für eines der wichtigsten Bauwerke überhaupt in diesem Land — ein Bauwerk von unschätzbarem Wert und ein Bauwerk mit einer derartigen Prägnanz und energetischen Intensität, daß es einen schier umhaut. Und ohne Übertreibung könnte man es auch eine nicht gesunkene Titanic nennen.
Natürlich wird hier mit am meisten deutsche Vergangenheits-Verdrängung betrieben und deshalb war der Innenhof bis vor kurzen noch eine Art Abstell- und Rumpelkammer für unaufgeräumte Gerätschaften und Fahrzeuge. Jetzt erst, nachdem wieder halbwegs Platz geschafft worden ist, zeigt sich die erhebliche Wirkung dieser Anlage. Sowohl die Außenfassade als auch der Umgang müssen jeden unvoreingenommenen Betrachter durch die hohe Güte der eingesetzten Materialien (Granit) beeindrucken. (Nicht zu vergessen jedoch: Die Steine kamen z.T. aus KZ-Anlagen und wurden durch Zwangsarbeiter gewonnen.) Was wir sehen, ist nur der untere Teil; darüber hätten sich noch mit weiteren 30 Metern Höhe die Säulen erheben sollen, die das Dach getragen hätten.
Architekten waren Ludwig und Franz Ruff. Der Bau begann 1935. Der gesamte hufeisenförmigen Bau maß 275 Meter in der Länge und 265 Meter in der Tiefe und beeinhaltete zwei im Vergleich dazu kleine Vorhallen, die aber allein schon für sich riesige Ausmaße aufweisen. 50.000 bis 60.000 Menschen sollten in diesem Bauwerk Platz finden.
Der Säulenumgang sollte 88 Pfeiler aufweisen. Das Dach war als riesige, freitragende Stahlkonstruktion (mit einer max. Spannweite von 170 Metern) geplant, für die 24.000 Tonnen Stahl benötigt worden wären. Das Mauerwerk bestand innen aus einem bis zu bis fünf Meter dicken Ziegelmauerwerk und außen aus Granitplatten. Hitler ließ sich seinerzeit Muster verschiedener Gesteinsfärbungen und Maserungen kommen und traf persönlich die Entscheidung über das verwendete Granitmaterial.
Kraftplätze auf dem Parteitagsgelände
Nach
Marko Pogacnik soll sich bei einer zwölfstämmigen Weide, die unmittelbar neben der Großen Straße steht, ein Kraftplatz befinden, der zusammen mit zwei weiteren Punkten die Basis einer Pyramide bildet, die sich über Nürnberg erhebt. Eine germanische Religion
Bei Betrachtungen, die den politischen Aspekt, den auf Kriegvorbereitungen ausgerichteten Aspekt sowie den psychologischen Beeindruckungseffekt berücksichtigen, wird allzu leicht vergessen, daß es hier nicht zuletzt um Religion ging. Da man damals die herkömmliche Religion komplett abzuschaffen trachtete, waren diese Stätten eben auch, und vermutlich an erster Stelle, als religiöse Kult- und Weiheplätze gedacht. Der sportliche und übrigens auch der kampfsportliche, militärische Aspekt ist jedem Griechenlandkenner hinlänglich bekannt: Man denke nur an Olympia.
Die Anklänge ans Griechische, die sich bei den Nazis zuhauf finden lassen, werden heute gern als Imitation und Kitsch belächelt. Jedoch kann man sicher davon ausgehen, daß die heute neoklassizistisch genannten Stilelemente der Nürnberger Bauten mit voller Absicht gewählt wurden, um eine überzeitliche, keinen Moden unterworfene Ästhetik zu manifestieren. (Den neoklassistischen Ansatz halte ich persönlich immer noch für legitim, wie z.B. die Bauten König Ludwigs I. in München zeigen, der auch den Königsplatz geschaffen hat.)
Religiös war für die Planer dieses Areals die Absicht, die Anlage als sogenannten Heiligen Hain zu erschaffen. Für die esoterischen Aspekte zeichnete Heinrich Himmler verantwortlich, der die von ihm geführte SS als Nachfolgeorganisation des Templerordens verstand. Als religiös war auch jedes Auftreten des Führers konzipiert, dessen Reden man also auch mit Predigten vergleichen könnte. Dadurch entstand natürlich bei den exakt geplanten und mit akribischer Präzision durchgeführten Massenveranstaltungen die entsprechend ergreifende, euphorische Stimmung, bei der keinerlei Raum für Widerspruch oder Kritik vorgesehen war — etwas, worüber sich heute viele kopfschüttelnd und ironisch äußern. Aber auch sie verspüren Ähnliches, nur in anderen Lebensumständen, oder fühlen sich, wenn es ihnen fehlt, innerlich unausgefüllt und landen dann bei irgendwelchen Suchtdrogen, New-Age-Sekten etc. Die Grundbedürfnisse sind immer noch dieselben — jede Zeit hat nur andere Arrangements zu bieten, diese entsprechend auszuleben und nach Möglichkeit zu befriedigen. Deutsches StadionNur der Grundstein und der aus der damaligen Baugrube entstandene heutige Silbersee zeugen vom überdimensionalen Deutschen Stadion, in dem einmal 405.000 Menschen Platz finden sollten. In Anlehnung an griechische olympische Stadien wurde es nicht als geschlossenes Rondell, wie sonst bei derartigen Bauten üblich, sondern zu einer Seite hin offen konzipiert.
Fragment im Fragment: Das neue Dokumentationszentrum
Das folgende Bild zeigt den Blick durch das neu eröffnete Dokumentationszentrum, das mit hohem Kosten- und Arbeitsaufwand quer durch die Seitenwand der Kongreßhalle geschnitten wurde und mit seinem verglasten Durchgang wie ein Speer wirken soll (in Anspielung auf den Haupt-Architekten des Parteitagsgeländes, Albert Speer).
Ich empfehle den Besuch dieses Museums in jedem Fall, auch wenn ich nicht der Auffassung bin, daß die Hintergründe des Nationalsozialismus hier ausreichend erforscht wurden. Der Frage nach den Ursachen der damaligen Faszination, den Ursachen der ungeheuren Begeisterung bei einem Großteil der damaligen deutschen Bevölkerung, oder dem enormen Energieschub in vielen Lebensbereichen wird hier in keinster Weise nachgegangen — offenbar sind den heute Verantwortlichen solche Fragestellungen immer noch zu brisant.
So, wie Produkte konzipiert und für einen bestimmten Marktauftritt fitgemacht werden, werden heute leider häufig auch Museen konzipiert: Als fertig vorgekautes, mit einer vorgegebenen Grundintention angelegtes Ganzes, bei dem alles auf die beabsichtigte Wirkung hin abgestimmt ist, einschließlich Beleuchtung, Farben, Klänge, Videofilme usw. Ich persönlich lehne es ab, mich solcher Art von Beeinflussung zu unterwerfen. Wenn hier z.B. der Eindruck erweckt werden soll, man hätte es auf diesem Areal nur mit bösen und schlechten Dingen zu tun, dann frage ich, warum nicht das Risiko eingegangen wird, die Leute selbst denken und ihre eigenen Schlußfolgerungen ziehen zu lassen — indem man ihnen zum Beispiel Fragespiele anbietet der Art: Wie würden Sie sich verhalten, wenn.... Wählen Sie unter 1., 2. und 3. Vision und Verantwortung
Bei einer echten Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus müßten auch die unbestreitbaren Errungenschaften, vor allem in der Zeit bis 1936, gewürdigt werden. Das heißt nicht, das Wissen zu leugnen, daß das Regime von einer Mörderclique angeführt wurde — daß es niemals legitim war, sondern schon vom ersten Tag an mit Gewalt, Lügen, Fälschungen und Außenseiter-Haß operierte. Mit Errungenschaften meine ich: Den Menschen wurde damals ein neues Ziel, eine Vision gegeben, und es ist nicht wahr, daß derartige Visionen allesamt und unweigerlich in Zerstörung und Selbstzerstörung führen müssen. Durch die Bündelung auf die Vision einer einigen Gesellschaft, die zusammen Neues und Großartiges aufbaut, wurden ungeahnte Kräfte freigesetzt, die viele Menschen als beglückend und förderlich empfanden. Fahren auch Sie hin!
Wenn Dinge totgeschwiegen und verdrängt werden, so bleibt es heute zum Glück doch jedem selbst überlassen, sich ein eigenes Bild zu machen. Man kann und konnte dieses Areal nicht austilgen und auch die feige Lösung, das Gras solange darüberwachsen zu lassen, bis möglichst wenig davon zu sehen ist, wird auf Dauer nicht zum gewünschten Ziel führen. Die Gebäude stehen da, und jeder kann sie anschauen. Auch wenn ich es eigentlich für selbstverständlich halte, hier noch einmal explizit die Aussage: Dieser Text — und ebenso meine Empfehlung, das Zeppelin-Gelände aufzusuchen — stellt keinerlei Progaganda für braune Gruppierungen oder dergleichen verstockte Mentalitäten dar. Ich denke, ich kann getrost davon ausgehen, daß Leser dieses Architektur-Journals über genug Grips verfügen, um gegen jede Art von platten Denkschemata immun zu sein. Die Betroffenheit angesichts der Greueltaten der Nazi-Gesellschaft — d.h. der durch skrupellose Verbrecher angeleiteten und fehlgeleiteten, sich aber auch selbst zu einer Fehlleitung bereitstellenden deutschen Bevölkerung — sollte uns nicht auf immer und ewig davor zurückschrecken lassen, uns mit den in uns liegenden, durch gewisse Gebäude aktivierten Kräften und Energien wieder vertraut zu machen und zu wagen, damit auf bessere Weise, als das seinerzeit geschah, umzugehen. Ausgewählte Links
Führungen zum Reichsparteitag Nürnberg unter Feng-Shui- und Geomantie-Aspekten von Martin Schmidt-Bredow — Kontaktinfo Weiterführende Tips
leni-riefenstahl.de — Homepage von Leni Riefenstahl. — Gerd-Lothar Reschke —
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