Viel mehr als nur Lehr- und Versuchsgärten einer Fachhochschule
Bilder und Text von Marco Holmer
Diese Gärten wurden ursprünglich als Lehr- und Versuchsgärten der Fachhochschule Weihenstephan in Freising konzipiert und ausgeführt. Zwei davon, der Hofgarten und der Buchsgarten, gehen aber über das reine Studium von Pflanzen weit hinaus. Hier geht es um Gestaltung und Arrangement von Parks und Gärten, und allgemeiner um das Kreieren von Orten und Umgebungen für Menschen. Sie sind glücklicherweise öffentlich zugänglich und leisten damit einen wertvollen Beitrag für die Bewohner der Stadt.
Beide Gärten haben eine sehr intensive Atmosphäre, und ich werde versuchen, dieser etwas genauer nachzuspüren.
"Umgebung für den Menschen" klingt zuerst einmal sehr allgemein. Hier soll es bedeuten: eine Umgebung, die eine direkte Wirkung entfaltet, welche mit etwas Aufnahmebereitschaft für jeden nachvollziehbar ist. Es ist wichtig, zu bemerken, daß es um eine Qualität geht, die für jeden nachvollziehbar ist, nämlich subjektiv und individuell, nicht etwa mit Geräten objektiv meßbar.
Deswegen kann so etwas auch nicht wie üblich aus Büchern gelernt werden, sondern muß erfahrbar sein. Und diese Erfahrung funktioniert nur direkt, im Eigenversuch sozusagen. Das einzige Werkzeug dazu ist etwas Hören auf sich selbst.
Derartige Dinge mögen schwierig zu beschreiben sein, aber deswegen sind sie auf keinen Fall weniger "wirklich". Es ist nur nicht möglich, es zu verallgemeinern, weil verschiedene Menschen immer anders darauf reagieren. Der eine fühlt sich in einer solchen Umgebung vielleicht beruhigt oder erleichtert, ein anderer erfrischt oder angeregt, einem dritten kommt es vielleicht sogar unangenehm, störend oder langweilig vor.
Doch ich gehe lieber der Reihe nach vor und frage: Was trägt zu den erzielten Wirkungen bei und macht solche Orte besonders?
Es lässt sich also in verschiedenen Skalen entdecken, daß nichts dem Zufall überlassen wurde. Alle Eindrücke, Bezüge und Gegenpositionen bilden ein harmonisches Ganzes, das sich dann als ein schwer beschreibbares Gefühl äußert, wie z.B. "sich darin wohlzufühlen".
Hofgarten
Die Gärten liegen auf dem Rücken des Weihenstephaner Bergs, der schon weithin sichtbar ist. Vor allem aus südlicher und östlicher Richtung kommend (von München oder dem Bereich des Erdinger Moos). Er bildet den Auftakt zu einer nachfolgenden, sanften Hügellandschaft.
Zuersteinmal muß man sich also einige Höhenmeter hinaufarbeiten zu den Gärten. Das wird dann mit einer herrlichen Aussicht belohnt, die von den beiden Aussichtsterrassen an klaren Tagen bis zu den Alpen reicht. Man fühlt sich auf dem Rücken des Hügels ein bißchen so, als stünde man nur noch auf einem kleinen Teil Erde über dem sich ein weiter Himmel öffnet.
Die lange Geschichte zeigt, daß der Ort von jeher begehrt war wegen seiner besonderen Lage. Der heutige Hofgarten war früher der Garten eines Klosters, das schon 1020 gegründet wurde. 1803 wurde das Kloster aufgelöst und abgerissen. Es wurde dann eine Landwirtschaftsschule eingerichtet, die sich später zur Hochschule entwickelte und heute Teil des "Grünen Wissenschaftszentrums Weihenstephan" ist.
Früher befand sich noch die Klosterkirche St. Stephan im Bereich des Hofgarten. Deren Fundamente wurden später wiederentdeckt und sind heute mit roten Ziegeln als Umriß markiert.
Eine weiterer interessanter Ort in unmittelbarer Nähe am Hang unterhalb der Terasse ist die Ruine der Korbinianskapelle. Sie ist über einer Quelle erbaut, der heilende Wirkung zugesprochen wird.
Die beiden Gärten kombinieren viele verschiedene Eindrücke und Charaktere auf engem Raum.
Um klare Wirkungen zu entfalten, werden immer wieder begrenzte Räume geschaffen, die sich auf einen Aspekt konzentrieren können. Das wird erreicht durch gezielte Begrenzung und Führung der Sichtlinien des Betrachters. Dazu dienen etwa Niveauunterschiede, Treppen, Hänge, Mauern. Etwas subtiler ist dann schon die Leitung und Führung des Betrachters durch Abgrenzungen, Markierungen, unterschiedliche Bepflanzung oder Bodenbeschaffenheit.
Beispiele für Einzelcharaktere können sein:
Das Wegenetz spielt eine wichtige Rolle in der Führung des Besuchers. Es entscheidet mitunter, welche Perspektiven er einnimmt und wann welche Eindrücke zusammenwirken.
Doch um die Parks ganz zu erleben und die Eindrücke auf sich wirken zu lassen, sind Ruhepunkte sehr wichtig, an denen man sitzen und sich ganz der Betrachtung hingeben kann.
Zwei schöne Beispiele für solche Rückzugsorte sind die beiden Bänke, die an die Mauer angelehnt nahe des Haupteingangs stehen. Das verschafft hier schon einmal
Rückendeckung. Sie befinden sich etwas zurückgesetzt vom Weg in einer Nische, die über einen kleinen Weg erreichbar ist. Dieser ist wiederum abgesetzt durch einen eigenen Bodenbelag. Mit sehr einfachen Mitteln wurde hier ein abwechslungsreiches Mosaik aus zwei unterschiedliche großen Arten von Steinplatten gelegt, das schön anzusehen ist und den Weg vom übrigen gestreuten Belag unterscheidet.
Beide Bänke stehen geschützt und beschattet unter je einem kleinen Baum und sind umgeben mit Blumenbeeten. In einer der Nischen ist ein Brunnen mit einer Skulptur in die Mauer eingelassen.
An weiteren Stellen finden sich ebenfalls diese Muster der Umgrenzung und damit Schutz einer Ruhezone. Etwas weiter den Weg entlang steht eine Bank unter einem großen Baum. Auch hier ist der Belag anders, es wurden hier große unregelmäßig geformte Platten verlegt.
Das schafft nicht nur visuell eine Abgrenzung sondern es fühlt sich auch anders an, dort zu sitzen.
Auf den Steinplatten "scharrt" man sozusagen nicht im Kiesel und kann die Füße bequem auf festem Grund entspannen ohne abzurutschen.
Ein idealer Platz zum Sitzen für Eltern während die Kinder auf der Wiese davor frei spielen können. Dazu lädt die Unterbrechung des umlaufenden Blumenstreifens ein, die dort einen Eingang zur Wiese freigibt. Dieser ist noch weiter akzentuiert durch je zwei Büsche und Vasen. Bei solch einer Einladung kommt kein Zweifel auf, ob man nun auf die Wiese darf oder nicht.
Der Buchsgarten ist ein Kleinod, das bei einem Besuch erst entdeckt werden muß. Zwei Abgänge führen in die geschützte Vertiefung hinunter. Man wird also von Anfang an mit dem beeindruckenden Überblick auf das geometrische Bild beschenkt, bevor man hinuntersteigen und die Schönheit aus der Nähe betrachten kann. Empfangen wird man auch hier beim Abgang von zwei Steinvasen zu beiden Seiten der Treppe.
Die drei Bänke hier sind wieder geschützt aufgestellt. Jede hat eine Mauer bzw. den Hang im Rücken. Eine davon ist auf einer leicht erhöhten Ebene, neben einem Brunnen aufgestellt. Die anderen beiden erhalten eine eigene Privatssphäre durch den Sichtschutz der dichten, rundgeschnittenen Buchsbäume, die dem Garten den Namen geben.
Buchsgarten
Die vielen Eindrücke werden im Park kombiniert, ineinander verwoben und sind oftmals auch Kombinationen aus Gegensätzen, z.B. offen - geschlossen, klein - groß, historisch - modern, einheimisch - fremd. Man könnte an manchen Stellen auch von einem Rhythmus sprechen.
Zwei Beispiele: Bei einem Rundgang um die zentrale Wiese mit dem beeindruckendem, alten Baumbestand, wird so ein Rhythmus deutlich. Die Abwechslung zwischen weiter Offenheit unter dem Himmel, also auch direkter Sonneneinstrahlung bei schönem Wetter und geborgenen, geschützten, schattigen Anteilen und Ruheorten unter den Ästen der Bäume.
Ein weiterer solcher Gegensatz besteht zwischen der Aussichtsterasse am äußersten südlichen Rand und dem Wasserbecken, das ziemlich genau die Mitte des Gartens in der Breite markiert. Hier die weite Aussicht und das Schweifen des Blickes in die Ferne, dort die stille Selbstbetrachtung im Spiegel der ruhigen Wasseroberfläche.
Beide Stellen sind ebenfalls wieder im Wegenetz über zwei Pfade, also einem rhythmischen Rundgang erreichbar.
Die Gestaltung der Gebäude fügt sich in den Park ein, und es paßt alles zusammen, obwohl sich hier ganz unterschiedliche Arten, Nutzungen und Baujahre finden.
Schon beim Betreten durch den Haupteingang fällt auf, daß hier auf den Menschen geachtet wird. Der Torbogen hat genau den richtigen Maßstab für den dahinterliegenden Garten. Man fühlt sich großzügig empfangen, gleichzeitig ist er aber auch nicht zu groß, so daß man sich klein und verloren vorkäme. Diese umgrenzende Mauer taucht auch später immer wieder auf und schafft einen wichtigen Anhaltspunkt zur Orientierung. Sie zieht aber auch eine klare Grenze zum "normalen" Erleben außerhalb des Gartens. Wenn man mit jemand zusammen den Garten besucht, kann man bemerken, wie sich diese Grenze beim Betreten und Verlassen etwa auf beiläufige Gespräche auswirkt.
Arkaden des Kreuzgangs
Die erhaltenen Bögen des Kreuzgangs wurden schon weiter oben genannt. Sie lockern die Erscheinung des wuchtigen Gebäudes auf und schaffen statt einer ermüdenden, einheitlichen Fassade sogar einen richtigen Blickfang, zu dem man immer wieder gerne zurückkehrt. Ein weiterer Torbogen führt unter dem Gebäude hindurch in den nächsten Hof. Er ist ein weiteres Beispiel, wie Architektur rhythmisierend wirken kann. Einmal ist es eine klare Umgrenzung des Gartens, stellt aber auch eine bewußte Beziehung her zu der weiteren Freifläche auf der anderen Seite, wo das Gebäude seinen eigentlichen Hauptteil hat, der von einer anderen Seite des Berges her erreicht werden kann.
Das auffälligste Gebäude ist bestimmt das heitere, rosafarben bemalte, ehemalige Gartenhaus aus der Barockzeit mit dem Spitznamen "Salettl". Dieses launige kleine Haus trägt durch seine unkonventionelle Art viel zum Charme des Gartens bei.
Völlig anders ist der unaufdringliche Neubau, die "Kleine Kustermannhalle": eine Zeichen- und Entwurfshalle mit Betonung auf Nutzung des natürlichen Lichts. Metall und Ziegelstein schaffen eine klare, feste Struktur mit warmen Ambiente. Durch die großen Glasflächen steht das Gebäude mit seiner Umgebung in enger Beziehung, schützt sich aber gleichzeitig vor direkter Sonneneinstrahlung. Die frei zugänglichen Außentreppen zum ersten Stock stellen weitere Verbindungen her zwischen dem Innen und Außen des Gebäudes.
Einzig die hart hervorspringende Ecke des brückenartigen ersten Stockwerks des Lehrgebäudes fällt auf und scheint mir etwas zu hart und stechend. Der Innenhof, der sich darunter öffnet, ist aber angenehm und wird durch einen Brunnen und aufgestellte Bänke und Tische aufgewertet.
Die Bibliothek auf der gegenüberliegenden Seite ist ein ebenfalls moderner Bau, der bis auf eine Seite fast völlig eingewachsen und kaum sichtbar ist. Hier herrschen die Materialien Glas und Holz vor, die zusammen mit dem umliegenden Bewuchs eine angenehme, zurückgezogene Atmosphäre schaffen.
Eine wichtige Rolle in jedem Garten spielt das Wasser. Die Brunnen sind hier jeweils in der Nähe von Orten angebracht, an denen Menschen sitzen. Damit wird die kühlende und beruhigende Atmosphäre des Wassers genutzt.
Zusammenfassend kann gesagt werden: In den Weihenstephaner Gärten ist die Gestaltung von Atmosphäre auf musterhafte Weise gelungen. Und selbst wenn derartige Gärten oft eher die Sprache früherer Stilepochen sprechen, so läßt sich auch — oder gerade — dort bemerken, daß das Wichtigste nie mit Stilen zusammenhängt, sondern zeitlos ist. Es läßt sich auch nicht in strikte Regeln verpacken, da der spezielle Ort immer mit einbezogen werden muß.
Läßt sich aber dann überhaupt etwas herausdestillieren, um andere Orte ebenfalls wirkungsvoll und erfolgreich zu planen? Es geht um eine Qualität, die keine Regeln, kein Zieldenken, keine Stilvorgaben an die erste Stelle setzt. Die Prioritäten werden vielmehr umkehrt, hin zu einer lebendigen, praktischen Planungsmethode, die mit dem Herzen sieht. Gerade bei Gärten geht es ja ausschließlich darum, eine Umgebung für Menschen zu schaffen. Einen Ort, an dem man sich aufgehoben, angenommen und respektiert fühlt.
— Marco Holmer —
Freising, 22.5.2007
Startseite |
GLR Bücher |
HTML5
Copyright © 2024 Gerd-Lothar Reschke |
Impressum |
Datenschutz