Grundelemente der Gestaltung (2)
Text und Fotos von
Gerd-Lothar Reschke
Die folgenden Gestaltungsbeispiele für Gebäude-Eingänge zeigen leicht und anschaulich, zu welchen Ergebnissen unterschiedliche Herangehensweisen führen können.
Ehem. Post Arnulf-/Seidlstr., München Sehr typisch für einen heute gängigen, mit Begeisterung wiederholten Ansatz: Die Zugbrücke. Nur daß der arme Mensch unten durch muß. Instinktiv entsteht die Befürchtung, von dem bedrohlichen Ungetüm erschlagen zu werden, das meist nur von wenigen Kabelsträngen gehalten wird. Der Eingang selbst verschwindet oft völlig und wirkt gegen den Riesenaufwand der Tragekonstruktion geradezu lächerlich unbedeutend. |
Landshuter Allee, München Die Zugbrücke in ihrer Variation als Mausefalle. Auch dabei wieder der eigentliche Eingang relativ klein und simpel gegen den eminenten Aufwand des Vordaches. Der Eindruck, das Ding könnte jeden Moment herunterfallen, ist sogar noch stärker als im obigen Beispiel. Positiv, daß wenigsten die runde Form gewählt wurde, und daß der Gesamteindruck hell wirkt. Jedoch: Wirklich hineingehen möchte man auch hier nicht. Es entsteht der Eindruck, auch die im Gebäude tätigen Firmen seien auf Menschenfang aus. |
Landshuter Allee, NEC-Verwaltung, München Man sieht gleich: Da hat sich ein Architekt etwas dabei gedacht! Das ist natürlich ironisch gemeint, denn dies ist ein perfektes Beispiel für abstrakt-intellektuelle Planung ohne jeglichen Wirklichkeitsbezug. Der eigentliche Zugang erfolgt nämlich über die breite Treppe, und diese wiederum folgt dem Bogen nach links und prallt genau auf die Wand, 90º am Eingang vorbei. Darüberhinaus ist ein eigentlicher Eingang gar nicht zu erkennen, sondern die Tür ähnelt genau den Fenstern. |
BayWa, München Der Eingang wurde mit einigem Aufwand insgesamt neu gestaltet und hat jetzt repräsentativeren Charakter, d.h. beim Sich-Nähern entsteht gewissermaßen ein positiver Respekt vor dem Gebäude, da der Zugang als Erlebnis gestaltet ist. Da ist zum einen die Treppe zu nennen: Sie grenzt die Gebäudeeinheit von der diffusen Getriebenheit der Verkehrsstraße ab. Das Hochsteigen ist auch ein symbolisches Auf-Steigen. Der weitere Weg verläuft nicht im Leeren und ungeschützt, sondern wird durch Lichtpfeiler begleitet, die abends ein sehr angenehmes Licht ausstrahlen. Hierdurch wird Kraft aufgebaut, die sich zum Eingang hin verstärkt. Obwohl einfach gehalten, wirkt die helle obere Verblendung des Eingangs kräftigend und stärkend. Dagegen halte ich das Kreuzsymbol, das die Tür aufweist, für zu abweisend. Außerdem hätte bei der Begrünung durch einige farbige Anpflanzungen, z.B. Rosen, dem kühlen Grün-Silber ein Ausgleich gegeben werden können. |
Im Arabellapark, München Vorbildlich, wie der Eingangsbereich hier durch die Pflasterung Ausstrahlung erhält! Auch die 2-stufige Treppe ist günstig, weil sie vom öffentlichen Bereich abgrenzt und aufsteigen läßt. Die Abstände der weißen Pfeiler sind gut gewählt; zu beachten ist, daß die runde Form weiblicher, zugänglicher, ausgleichender wirkt. Ebenso betont die runde Innenkontur der Tür diesen weiblichen Aspekt. Die sichtbare Türklinke lädt zum Eintreten ein. |
Ifo-Institut, Poschinger Str., München Auch völlig neu gebaute Eingänge können harmonisch gestaltet sein. Bis vor kurzem (2001) war hier überhaupt kein Portal und keine Treppe, sondern man muß sich die Fensterreihen durchgehend denken. Das gerundete Vordach und die runden Trägerpfeiler lösen eine mögliche Dominanz rechteckiger Linien geschickt auf. Der neue Eingang wirkt nun der internationalen Bekanntheit des Ifo-Institutes gemäß repräsentativ, wozu jedenfalls die nicht nur noch vorne, sondern auch zu den Seiten abfallende Treppe gehörig beiträgt. Übrigens steht die Tür zumeist offen und führt in einen hellen, einladenden Eingangsbereich. Warme Pastell- und Grüntöne rufen eine entspannende und belebende Wirkung hervor. |
Aus diesen Beispielen läßt sich lernen, daß es wichtig ist, dem instinktiven Empfinden der Menschen, die durch solche Eingänge in ein Gebäude hineingehen wollen, Rechnung zu tragen. Auch der größte technische und konstruktive Aufwand, auch die modernsten Trend-Ideen nützen nichts, wenn bloß der Abstraktion gefolgt wird, die Wahrnehmung jedoch zu kurz kommt.
Leider zeigen die Beispiele auch ein typisches Übel unserer Zeit: Das Wissen um einfachste Zusammenhänge und Wirkungen ist so weit verloren gegangen, daß inzwischen Bausünden möglich sind, die jeder natürlichen Empfindung komplett widersprechen und elementarste Gestaltungsregeln verletzen. Manchmal hat man sogar den Eindruck: Je mehr Geld zur Verfügung steht, desto weniger wird auf Wahrnehmung Rücksicht genommen und desto mehr zählt abgehobener Intellektualismus: Für den oberflächlichen Betrachter sehen dann derartige Ego-Trips anscheinend nach mehr aus.
Dies ist auch ein Grund, warum ich hier völlig kompromißlos auf Fehlleistungen hinweise. Die Leute lassen sich nämlich immer noch zu sehr von des Kaisers neuen Kleidern beeindrucken; also muß man auch einmal sagen, was daran so offenkundig gar nicht stimmt. Es ist einfach wichtig, den eigenen, unbefangenen Blick wiederzuentdecken.
— Gerd-Lothar Reschke —
7.8.2002
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